Erklärung zur Trennung von Hände weg vom Wedding

Erklärung zur Trennung von Hände weg vom Wedding

Die Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht (BAGA) hat sich nach zu großen Widersprüchen von der Stadtteilorganisierung, Hände Weg vom Wedding (HwvW), getrennt.1

Maßgeblicher Grund der Trennung war der Umgang mit Kritiken und die Methoden der Diskussion innerhalb der Organisation. Inhaltlich-politische Debatten zu personalisieren und eine Seite der Debatte ständig mit persönlichen Vorwürfen zu konfrontieren, ist faktisch eine Verhinderung von politischen Diskussionen. In der politischen Diskussion sollten immer politische Argumente im Vordergrund stehen: Es sollten nicht die Personen, die vermeintlich falsche Ansichten vertreten, bekämpft werden sondern die Ansichten selber. Auch sollten Vorwürfe – egal ob inhaltlicher oder persönlicher Art – nur auf der Grundlage von konkreten Vorkommnissen, Handlungen, Belegen u.ä. vorgebracht werden; es sollte im Rahmen der selbst gegebenen Strukturen miteinander und nicht übereinander geredet werden. Fehlen bestimmte feste Regeln der Kommunikation, können keine richtigen Inhalte erreicht werden.

Als wir vor gut einem Jahr zu HwvW dazustießen, stellte sich für uns die Lage bei HwvW so dar, dass verschiedene wichtige Entscheidungen auf der Tagesordnung standen. Einige dieser Entscheidungen waren folgende:

  • entweder Aufbau einer klassenkämpferisch-politisch starken berlinweiten (oder gar landes- und bundesweiten) Organisierung mit politischem Machtanspruch gegenüber den Herrschenden oder als ein kleiner Zirkel, als eine politische Sekte2 in Form einer Stadteilorganisierung zu agieren
  • entweder eine berlinweite oder gar bundesweite Bündnispolitik mit allen kämpferischen Organisationen/Initiativen usw. entwickeln oder sich auf die Arbeit in einem Stadtteil beschränken und damit in letzter Konsequenz die “revolutionäre Politik“ zu einer Sozialarbeit mit einer faktisch reformorientierten Zielsetzung degradieren.

Aus diesen beiden schwerwiegenden inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten folgt in aller Regel – und so haben wir es bei HwvW erlebt – dass auch bezüglich der Methoden und des Umgangs untereinander unterschiedliche Wege beschritten werden:

  • entweder eine breit aufgestellte Organisation mit klaren Regeln, Rechten und Pflichten der Mitglieder und Anerkennung einer freien, breiten und öffentlichen Debattenkultur oder informelle und persönliche Kommunikationsregeln, die Beliebigkeit und massive Einschränkung der freien (und offenen, öffentlichen) Debatte bedeuten – ein besonders ausgeprägtes Merkmal von politischen Sekten.
  • Entweder die Autorität der kollektiv beschlossenen Regeln, der Linie der Organisation oder

die Autorität von selbsternannten Prophet:innen, die mit Hilfe von informellen Strukturen mögliche politische Gegner:innen bekämpfen

Viele Differenzen waren BAGA bereits vor dem Zusammenschluss bewusst. Diese wurden während des Prozesses in verschiedenen Debatten deutlich benannt. Trotzdem war die Entscheidung für eine Vereinigung richtig und wurde als wichtig betrachtet, da beide Seiten aufgrund einer bisher guten praktischen Zusammenarbeit in Bezug auf betrieblich-gewerkschaftliche Solidaritätsarbeit und aufgrund einer klassenkämpferischen Politik eine gemeinsame Grundlage für eine Vereinigung sahen.

Für BAGA war der Wille zur Vereinigung trotz der Differenzen von maßgeblicher Bedeutung.

Dass vieles, was nach Außen vermittelt und bezüglich Rätedemokratie oder Rechten von Aktiven schriftlich fixiert war, tatsächlich ganz anders gelebt wurde, konnte erst durch direkte Teilnahme am Innenleben der Stadteilorganisierung und durch unmittelbare Erfahrung wahrgenommen und überprüft werden.

„An ihren Taten sollst Du sie messen…“

Die gelebte Praxis ist selbst bei Punkten, die auf dem Papier formuliert bzw. skizziert sind, ganz anders.

Der große Widerspruch zwischen Anspruch und Realität wurde immer mehr sichtbar. Daher war auch der Vereinigungsprozess von Anfang an von Widersprüchen begleitet.

Wenn bei HwvW hinreichende Voraussetzungen für eine breite, kollektive und demokratische Debatte bestanden hätten, dann wären wichtige politisch-ideologische Differenzen, auch wenn sie von großer Bedeutung sind, nicht unbedingt der Grund oder die Ursache für eine Trennung gewesen, zumindest nicht zum jetzigen frühen Zeitpunkt.

Wo unverzichtbare (und damit auch einfachste und grundlegendste) Rechte der Mitglieder insbesondere hinsichtlich der Durchführung von kollektiven und breiten Diskussionen fehlen, blühen Beliebigkeit, Willkür, gedeihen Intrigen und Verleumdungen. Damit befördert wird ein bürokratischer Zentralismus. Denn durch die fehlenden umfassenden freien Debatten, in denen die Argumente restlos getauscht werden, kann keine tiefe kollektive Überzeugung der Mitglieder entstehen. Ein falsch verstandener sogenannter demokratischer Zentralismus ersetzt dann die fehlende Handlungskraft der Organisation auf der Basis der Überzeugung durch den Versuch der Zementierung der Handlungskraft der Organisation durch Beschneidung der Rechte der Mitglieder und durch die Favorisierung von zentralen Anweisungsbefugnissen.

Wir vermissen bei HwvW eine demokratische Streit- und Debattenkultur. Ohne eine kollektive Debatte, ohne das Einhalten von demokratischen Regeln kann sich eine Organisation nicht positiv weiterentwickeln. Vom politischen Anspruch ganz zu schweigen.

Ein Verbleib in so einer politischen Sekte macht für BAGA keinen Sinn und ist politische Zeitverschwendung.

Der einzige Weg, der blieb, war daher die organisatorische Trennung.

Für umso wichtiger halten wir es, den Weg der Offenheit für andere Gruppen, der Bündnisarbeit mit anderen Inis, die Frage nach einer berlinweiten Bündnisorganisation konsequent weiterzufolgen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der ungeheuren Herausforderungen der heutigen Zeit und der enormen Schwäche der klassenkämpferischen Kräfte in Deutschland. Gleichzeitig sehen wir, dass die kämpferische Linke Mobilisierungskraft besitzt, wie die 1. Mai-Abend-Demo oder die Umverteilen-Demo am 12.11.2022 zeigen – WENN die Linke sich zusammenschliesst, OHNE die Unterschiede einzuebnen oder zu unterdrücken, dann können wir es schaffen. Dafür müssen wir uns trauen und das Wagnis einer Bündnisarbeit eingehen, uns zusammentun.

Statt jede/r stirbt für sich alleine und jeder Gruppe ihr eigenes kleines Königreich – gemeinsam sind wir stark und haben eine Welt zu gewinnen! Wagen wir es!

BAGA, November 2022

1BAGA hatte sich vor gut einem Jahr – Oktober 2021 – mit HwvW vereint.

2Damit meinen wir nicht die Gleichsetzung mit einer religiösen Gemeinschaft. HwvW bleibt natürlich eine linke kämpferische Organisation. Sekte ist im politischen Sinne gemeint.

Erklärung zum Download: