Sozialarbeit in Berlin ist keine Party – Eine Antwort auf ein Interview mit dem Sozialarbeiter Christoph in der Berliner Zeitung vom 02.04.2024

Anläßlich des Artikels https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/wie-viel-verdient-ein-sozialarbeiter-ich-goenne-mir-einmal-in-der-woche-party-li.2189498 in der Berliner Zeitung vom 02.04.2024, bei dem der Berliner Sozialarbeiter Christoph zu Wort kam u.a. mit „Ich gönne mir jedes Wochenende Party“, entstand aus dem Telegram-Channel des Solidaritätstreff Soziale Arbeit heraus der Wunsch einen Leserbrief zu verfassen. Darauf machten sich zwei Sozialarbeitende an die Arbeit. Am 22. April 2024 erschien dann der Leserbrief in der Berliner Zeitung auf Seite 8 in gekürzter Form.

Die Berliner Zeitung genehmigte freundlicherweise dem Solidaritätstreff Soziale Arbeit Neukölln und der Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht (BAGA) die Veröffentlichung des Briefs auf ihren social media.

Ein weiterer Lesebrief aus der Stadt zum Artikel wurde bereits am 11.04.2024 in der Berliner Zeitung auf der Seite 19 abgedruckt:

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Berliner Zeitung.

Und hier der ungekürzte Leserbrief:

„Lieber Christoph,

wir, eine Gruppe von Sozialarbeiter*innen, haben mit großer Verwunderung deinen Artikel vom 02. April in der Berliner Zeitung gelesen. Hier beschreibst du dein Gehalt und Lifestyle als Sozialarbeiter in Berlin, bei dem du klar mit wenig Geld und entspannten Arbeitszeiten zufrieden bist. Da wir uns regelmäßig treffen, um uns über die eher unbefriedigenden Arbeitsbedingungen in unserer Profession auszutauschen, haben wir an dieser Stelle zahlreiche Rückfragen, die wir dir gern stellen.

Du scheinst echt einen entspannten Arbeitgeber zu haben, wenn du für 30 Stunden bezahlt wirst und nur 25 Stunden arbeiten musst. Das klingt toll! Und die Jugendlichen haben anscheinend kaum den Bedarf, dich weiterhin um Hilfe zu bitten. Sie scheinen ja umfassend beraten und betreut.

Wir kennen es aus der Praxis so, dass zumeist die Zeit kaum für die umfangreichen Fallanfragen reicht. Du scheinst Glück zu haben.

Du erzählst, dass du 1800 € im Monat verdienst. Das ist ja im berlinweiten Vergleich nicht viel, auch der Clubbesuch und Lebensmittel werden teurer. Schön, dass du davon so gut leben kannst und obendrauf 500 € monatlich sparst.

Ein WG-Leben ist eine schöne Sache und günstiger als eine eigene Wohnung, aber solltest du doch eine Familie mit angenommen einem Kind gründen wollen, wird es da schon sehr knapp. Viele zahlen Miete um die 1000 € in Berlin und so würden weniger als 50 % deines Netto-Einkommens für Ernährung, Klamotten, Ausflüge etc übrig bleiben. Zudem ist es auch fast unmöglich mit einem so niedrigen Einkommen überhaupt eine Wohnung zu finden.

Natürlich sind Lebensrealitäten unterschiedlich; die Lebensrealität, die viele Kolleg*innen, mit denen wir in Kontakt stehen und auch wir selbst erleben, ist nicht so rosig.

Viele von uns leisten wöchentlich Überstunden und werden im Vergleich zu allen anderen Berufen mit Studienabschluss schlecht bezahlt.

Im Herbst 2023 streikten daher zahlreiche Sozialarbeiter*innen und Erzieher*innen für höhere Löhne. Durch den Tarifabschluss des TV-L vom Dezember 2023 wurde jedoch kein Inflationsausgleich erzielt und der Tarifabschluss gilt auch weiterhin selten für Angestellte von freien Trägern. Am 11. April findet eine weitere Demonstration vor dem Berliner Abgeordnetenhaus statt. Diese fordert, dass Beschäftigte bei freien Trägern der Sozialen Arbeit endlich wie im Öffentlichen Dienst die Hauptstadtzulage gezahlt bekommen. Es ist Zeit, dass die Arbeit von Sozialarbeiter*innen wertgeschätzt wird, da die Gesellschaft, in der wir aktuell leben, auf die Arbeit angewiesen ist. Die Anerkennung bekommen wir nur, wenn wir zusammen dafür kämpfen und uns solidarisch verhalten. Daher auch für dich Christoph, wenn du Lust auf einen Austausch mit Kollegen und Kolleginnen hast, um tiefer einzusteigen, kannst du an zahlreichen Treffen in Berlin teilnehmen, z.B. beim „Solidaritätstreff Soziale Arbeit“, der in Wedding und in Neukölln stattfindet.

Hör dich um und bring dich ein. Wir sind nur gemeinsam stark für uns und für unsere Klient*innen.“